Kopf- und Nackenschmerzen durch Smartphones?
Was das Smartphone mit unserem Kopf und unserem Nacken macht
Praktischer Helfer in allen Lebenslagen
Was wären wir bloß ohne unser Smartphone? Von der Planung des Alltags über die schnelle Suche nach Informationen bis hin zu Anwendungen für Hobby oder Freizeit ist es aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Tausende von Apps helfen dabei, mit wenig Aufwand vieles im Griff und im Blick zu behalten. Nachrichten, Musik, Chats, Spiele – alles jederzeit greifbar. Kein Wunder also, dass nahezu jeder mit einem Gerät ausgestattet ist und ausgiebig Gebrauch davon macht.
Dauergebrauch macht Probleme
Auch hier gilt allerdings die Erfahrung, dass selbst Nützliches zur Last werden kann. Im Sommer 2020 berichteten Zeitungen und Nachrichtenmagazine, dass die japanische Stadt Yamoto unweit von Tokio ein Handyverbot für Fußgänger verhängt hatte. Der Grund: Die Smartphone-User blickten auch im öffentlichen Raum unablässig auf das Handy und beachteten nicht mehr den Straßenverkehr. So kam es zu einer bedenklichen Häufung von Unfällen. Man erhoffte sich bei der zuständigen Stadtverwaltung, „dass das Verbot das Bewusstsein für die Gefahren stärkt".
Solche Vorgänge mag man schmunzelnd zur Kenntnis nehmen. Aber auch wenn man beim Blick auf das Handy nicht zwangsläufig von einem Lieferwagen überrollt wird, birgt der Dauergebrauch durchaus Risiken. Denn was die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) zu den Auswirkungen des permanenten, mit gebeugtem Kopf nach unten Schauens sagt, sollte auch denjenigen, die sich fit fühlen, zu denken geben.
Der „Handynacken“
Die DGOU spricht in diesem Zusammenhang von einem neuartigen Krankheitsbild, das mit dem Begriff „Handynacken“ (in der englischsprachigen Welt „text neck“) umschrieben wird. Es handelt sich dabei um eine Überlastung der Halswirbelsäule. Diese entsteht, wenn die Nutzer, wie es in einer Pressemeldung hieß, „stundenlang mit herabhängendem Kopf und damit in einer unnatürlichen Haltung auf das Display blicken“.
Nackenschmerzen sind allerdings nicht immer auf exzessive Smartphone-Nutzung zurückzuführen. Sie spielen grundsätzlich eine wesentliche Rolle im Kopfschmerzgeschehen. Für viele Kopfschmerzbetroffene sind sie Teil einer sich anbahnenden oder beginnenden Attacke. In den vergangenen Jahren gab es eine Menge Forschung über den Zusammenhang zwischen Nacken- und Kopfschmerzen sowie Migräne. Die Studien ergaben, dass Nackenschmerzen bei vielen Patienten als Vorboten sowohl für Migräne als auch für Kopfschmerz vom Spannungstyp betrachtet werden müssen.
Symptom Nackenschmerz
So gibt es Hinweise, dass bei Kopfschmerzen oftmals eine Störung des körpereigenen Schmerzabwehrsystems besteht. Dieses körpereigene Schmerzabwehrsystem ist dem Bremssystem im Auto sehr ähnlich. Die Geschwindigkeit kann je nach Bedarf durch das Bremspedal reguliert werden. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Bremsflüssigkeit im Vorratsbehälter ist, um die Steuerung der Bremsscheiben zu regulieren. Bei einem Mangel an Bremsflüssigkeit versagt das Regulierungssystem und die Geschwindigkeit kann nicht beeinflusst werden.
Die Aufgabe der Bremsflüssigkeit übernehmen im menschlichen Gehirn Botenstoffe wie etwa das Serotonin. Bestehen für den menschlichen Organismus allerdings kurzzeitige, außergewöhnliche Belastungen, kann es zu einem vorübergehend zu starken Verbrauch dieser Botenstoffe kommen. Solche Belastungen können z. B. besonderer körperlicher oder psychischer Stress sein, wie etwa die Fehlhaltung der Nackenmuskulatur durch gebeugtes Sitzen am Schreibtisch. Die Schmerzinformationen aus den Muskeln müssen dann permanent reguliert werden und ein übermäßiger Verbrauch der Nervenbotenstoffe im Gehirn ist die Folge. Hieraus resultiert eine vorübergehende Erschöpfung der Nervenbotenstoffe, die die Schmerzfilter normalerweise steuern sowie eine vorübergehende zu starke Öffnung der Filter und ein ungesteuertes Einströmen der Schmerzinformationen in das Gehirn. Das Ergebnis: Wir nehmen zuerst unseren schmerzenden Nacken wahr, wiewohl das Problem streng genommen von unserem Gehirn ausgeht.
Kann man vorbeugen?
Ja, grundsätzlich ist eine Muskulatur, die regelmäßig trainiert wird, weniger anfällig für Verspannung und Überlastung jeglicher Art. Viel Bewegung und sportliche Betätigung sind ein wichtiger Beitrag zur Prävention. Am besten integriert man sie fest in die Freizeit und in den Studienalltag.
Und wenn mal wieder die Zeit zu knapp ist, weil eine Hausarbeit oder Klausur ansteht – kurze „Trainingspausen" können zur Not auch drinnen stattfinden. Kurz aufstehen, Kopf und Schultern hin und her bewegen, ein paar Schritte durchs Zimmer laufen, herzhaft gähnen. Je öfter eine starre Haltung unterbrochen wird, desto besser ist der Schutz vor Verspannung. Es geht im Grunde darum, möglichst viele Muskeln und Gelenke zum Einsatz bringen. Noch ein guter Tipp: Mobile Geräte und Monitore höher positionieren bzw. lieber die Augen senken als Kopf und Nacken. Auch dies vermeidet Verspannungen und beugt Nacken- sowie Kopfschmerzen vor.
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https://www.welt.de/gesundheit/article143385032/Grassiert-der-Handynacken-bald-wie-eine-Seuche.html
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