Kopfgesundheit im Winter: Über Kälte-Kopfschmerz, Brainfreeze & Winterblues
Kopfgesundheit im Winter: Über Kälte-Kopfschmerz, Brainfreeze und Winterblues
Einige Menschen mit Kopfschmerzen oder Migräne beschreiben, dass ihre Beschwerden in Herbst und Winter zunehmen. Betroffene sind hier oft unsicher, ob es dafür ‚echte‘ Gründe gibt oder sie ihre Beschwerden in der dunklen, kalten Jahreszeit bloß stärker wahrnehmen. Was weiß die Forschung über den Zusammenhang von Kälte und Kopfschmerz und wie können Betroffene dem Phänomen begegnen?
Der ‚klassische‘ Kälte-Kopfschmerz bei winterlichen Temperaturen
Tatsächlich kann Kälte nachweislich einen eigenen Kopfschmerz auslösen, der dem Spannungskopfschmerz vergleichbar ist. Aber auch als Auslöser für Migräne-Attacken kann Kälte wirken.
Der klassische Kälte-Kopfschmerz entsteht meist dann, wenn der Kopf ungeschützt etwa durch eisige Winde oder allgemein frostige Temperaturen einem starken Kältereiz ausgesetzt ist. Man vermutet, dass bei entsprechend empfindlichen Menschen bereits mäßige Temperaturänderungen (z.B. zwischen drinnen und draußen) von weniger als 10 Grad Celsius ausreichen können, um Kopfschmerzereignisse hervorzurufen. Dabei, so die allgemeine Annahme, kommt es zur Verkühlung der Kopfmuskulatur und in der Folge zu Verspannungen und Verkrampfungen dieser Muskelgruppe. Die Kopfmuskulatur liegt kaum geschützt unter der dünnen Kopfhaut, die gegenüber der Kälte praktisch keine Isolationsfunktion besitzt.
Temperaturreize können Migräne-auslösend wirken
Hinzu kommt, dass die akute Einwirkung von Kälte es den oberflächen-nahen Blutgefäßen stark erschwert, die Durchblutung angemessen zu regulieren, die Abkühlung des Blutflusses in diesen Gefäßen stellt für die Steuerung der Blutzirkulation also einen echten Stressfaktor dar. Solche Herausforderungen rufen immer Abwehrmaßnahmen hervor, weil das Gleichgewicht von Körperfunktionen gestört ist. Darauf ist es wahrscheinlich zurückzuführen, dass plötzliche Kälte am Kopf ein Trigger für Migräne-Attacken sein kann: Wenn der Organismus und seine regulativen Systeme unter Stress stehen, sind dies klassische Migräne-auslösende Situationen.
Das erklärt auch, warum wissenschaftliche Untersuchungen zeigen konnten, dass auch das Gegenteil, nämlich starke Hitze, bei Migränepatient:innen die Häufigkeit und Schwere der Attacken erhöhen kann: Starke Hitze ist für den Körper ebenfalls eine große Herausforderung und die Regulation wichtiger Prozesse bedeutet eine größere Anstrengung als unter ‚Normaltemperaturen‘.
Der ‚spezielle‘ Kälte-Kopfschmerz: „Brainfreeze“ nicht nur im Winter
Eine besondere Form des kälteinduzierten Kopfschmerzes, die viele Menschen – ganz unabhängig von ihrer sonstigen Kopfschmerzbetroffenheit – kennen, wird „Brainfreeze“ oder auch „Hirnfrost“ genannt. Ursächlich ist ganz einfach der Genuss von besonders kalten Lebensmitteln wie zum Beispiel Eis oder geeisten Getränken: Nehmen wir diese zu uns, dann kann ein plötzlicher Kopfschmerz aufkommen, den Betroffene als ziehend oder stechend beschreiben, der aber schnell wieder abklingt.
Zur Entstehung dieser Unterform des Kälte-Kopfschmerzes gibt es zwei Hypothesen, die sich allerdings widersprechen.
Hypothese 1:
Im Körper gibt es bestimmte Signal-Aufnehmer (Rezeptoren), die in der Lage sind, Kälte wahrzunehmen. Kommen diese beispielsweise mit sehr kalten Getränken oder Eis in Kontakt, senden sie Signale an einen bestimmten Hirnnerven, nämlich den sogenannten Nervus trigeminus (der fünfte Hirnnerv). (Über seine Bedeutung beim Kopfschmerzgeschehen haben wir bereits in einem früheren Beitrag ausführlich berichtet.)
Man geht davon aus, dass der Nervus trigeminus ein Kältesignal an den Hirnstamm sendet. In der Folge kommt es zu einer Verengung der Blutgefäße zum Gehirn. Diese Gefäßverengung soll für die Entstehung des „Hirnfrost“-Kopfschmerzes verantwortlich sein.
Hypothese 2:
Durch Eis oder kalte Getränke werden Kältereize im Gaumenbereich und im Rachen erzeugt, hierdurch ziehen sich die Blutgefäße schnell zusammen. Durch einen angeborenen Schutzreflex wird nun eine Gegenreaktion veranlasst: Die Gefäße erweitern sich wieder, damit die Versorgung des Gehirns nicht gefährdet wird. Dadurch erhöht sich der Blutfluss ins Gehirn. Das wiederum soll über eine Druckerhöhung und eine Nervenreizung zu Kopfschmerzen führen.
„Hirnfrost“ ist eine Frage der Genuss-Geschwindigkeit
Eine Arbeitsgruppe einer kanadischen Universität befasste sich unabhängig von Annahmen seiner Entstehung sehr praktisch mit der Untersuchung von Hirnfrost. Die Frage der Studie war: Hat die Geschwindigkeit, mit der Eis verzehrt wird, einen Effekt beim Auftreten von Kälte-KS? Das Ergebnis war, dass diejenigen Teilnehmer:innen, die ihre Eisportion von 100 ml in weniger als fünf Sekunden aßen, doppelt so häufig „Hirnfrost“ bekamen wie diejenigen, die sich dafür mehr als 30 Sekunden Zeit ließen. Dass ein Großteil (80%) der Studienteilnehmer:innen das Brainfreeze-Phänomen schon vor der Studie aus eigener Erfahrung kannte, zeigt seine allgemein weite Verbreitung.
Migräne vom „Brainfreeze“?
Herauszufinden, welcher der Erklärungsansätze letztlich zutreffend ist, wird der Forschung wohl noch einige Arbeit abverlangen. Klar scheint, dass eine deutliche Veränderung des Blutflusses zum oder im Gehirn eine Rolle spielt. Solche Vorgänge, bei denen das Gleichmaß von Körperfunktionen stark verändert oder gestört wird, sind – wie wir schon in vielen Beiträgen gezeigt haben – immer auch eine Gefahr für Migränebetroffene. Und tatsächlich kommt es durch den Genuss von Speiseeis, eiskalten Getränken oder Eiswürfeln verstärkt zu Migräne-Attacken, wie mehrere Forschungsarbeiten belegen.
Wie beugt man Kälte-Kopfschmerz vor?
„Hirnfrost“ kann man leicht entgehen, indem man sehr kalte Getränke und Speisen langsam und in kleinen Portionen genießt. So vermeidet man die blitzartige Abkühlung von Gaumen und Mundraum und damit die Ursache dieses schmerzhaften Phänomens – das gilt für alle Jahreszeiten und Wetterlagen gleichermaßen.
Den klassischen Kälte-Kopfschmerz kann man vermeiden, indem man bei kalten Temperaturen eine wärmende Kopfbedeckung trägt. Wenn die Mütze oder warme Kapuze über die Ohren reicht, sind alle empfindlichen Stellen gut geschützt. Auch außerhalb des kalten Winters sollte man daran denken, sich nach Möglichkeit keiner kalten Zugluft auszusetzen. Auch diese kann zu starken Verkrampfungen und Verspannungen der Muskulatur an Hals und Kopf führen und Kopfschmerzen auslösen. Insgesamt sollte man bei entsprechender Empfindlichkeit starke Temperaturschwankungen im Kopfbereich vermeiden.
Frische Luft gegen den „Winterblues“
Sich in den Wintermonaten gar nicht nach draußen zu bewegen, ist keine gute Idee. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist es für Körper und Seele wichtig, dass wir genug Tageslicht sehen und an die frische Luft gehen. Tageslicht ist außerdem für die körpereigene Produktion von Vitamin D nötig, das für einige wichtige Körperfunktionen unerlässlich ist. Allgemein unterstützt Bewegung an der frischen Luft unser Wohlbefinden und wirkt ausgleichend auf unser Nervensystem. Weil Stress und körperliche sowie psychische Anspannung nachweislich Auslöser sowohl für Spannungskopfschmerz als auch für Migräne sein können, sollte man versuchen, dem „Winterblues“ auch dadurch zu begegnen, dass man sich genug im Freien bewegt. Mit der passenden Kleidung können ein Spaziergang oder Sport an der frischen Luft auch bei kalten Temperaturen Freude machen und potenziell Kopfschmerzen und Migräne vorbeugen.
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Literatur
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