Kopfschmerz-Mythen: Über Geschlechter, Wetter und Prävention
Kopfschmerzen gehen fast alle an. So weit Kopfschmerzen verbreitet sind, so beachtlich ranken sich die Mythen zu ihren Ursachen. Wir nehmen uns einige „Klassiker“ der Kopfschmerz-Mythen vor und gehen ihrem Wahrheitsgehalt auf den Grund.
Mythos Nr. 1: Frauen haben öfter Kopfschmerzen
- Nur teilweise richtig
Die meisten Kopfschmerzarten gibt es bei Männern und Frauen gleichermaßen. Einen merklichen geschlechterspezifischen Unterschied gibt es bei der Migräne, davon sind Frauen tatsächlich häufiger betroffen. Statistisch lässt sich nachweisen, dass das Verhältnis zwischen Mann und Frau bei der Migräne etwa bei 3 zu 1 liegt.
Die Gründe für diese ungleiche Verteilung werden in der Kopfschmerzforschung seit jeher heiß diskutiert. Vermutlich sind sie vielfältig, sicher ist, dass es noch einiger engagierter Forschung auf vielen Gebieten bedarf. Eine Frage, die aktuell vermehrt im Fokus der Forscher:innen steht, ist die nach der Rolle von Sexualhormonen bei der Entstehung von Migräneattacken. Sexualhormone könnten sowohl auf die Häufigkeit als auch auf die Schwere von Migräneattacken einen Einfluss haben, was auch einen Beitrag zur Ungleichverteilung der Migränebelastung zwischen den Geschlechtern leisten könnte. Allerdings betonen die Forscher:innen sämtlicher Studien ausdrücklich die Komplexität der Frage nach der Rolle der Sexualhormone und weisen darauf hin, dass es viele weitere Faktoren geben könnte, die zur Ungleichverteilung beitragen.
Mit dem Thema Migräne und weiblicher Zyklus befasst sich dieser Artikel.
Mythos Nr. 2: Wetter verursacht Kopfschmerzen
- Unklar, kontrovers diskutiert
Der Föhn ist schuld – oder doch das nahende Gewitter, ein Tiefdruckgebiet, die Luftfeuchtigkeit? Viele Betroffene bringen ihre Kopfschmerzen mit dem Wetter in Verbindung. Wer der Sache aber genauer auf den Grund geht, stellt fest, dass bisher noch kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Wetterlage und dem Auftreten von Kopfschmerzen gezeigt werden konnte. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurden schon unzählige Aufzeichnungen von Patient:innen mit Wetterdaten verglichen, doch schlagende Beweise für die „Kopfschmerzwirksamkeit“ bestimmter Wetterlagen wurden bis heute nicht gefunden. Warum Betroffene trotzdem sicher sind, das Wetter spiele bei ihnen eine Rolle, ist eine offene Frage. „Es gibt Menschen, die bei bestimmten Wetterlagen solche Beschwerden haben“, bestätigen manche Umweltmediziner:innen.
Das Einzige, was sich aus den vielen Forschungsarbeiten vorsichtig herauslesen lässt, ist, dass es einen Einfluss haben könnte, wenn sich sehr aktuell bestimmte Wetter-Parameter verändern. So konnte zum Beispiel in einigen Erhebungen eine leichte Häufung von Kopfschmerzattacken nach oder während eines akuten Luftdruckabfalls verzeichnet werden. Auch eine starke Veränderung der Luftfeuchtigkeit könnte ein Faktor sein. Je stärker und schneller die Veränderung ist, desto stärker könnte sie auf das Kopfschmerzgeschehen einwirken. Das heißt im Umkehrschluss: Stabile Wetterlagen – ganz egal, welcher Natur sie sind – machen wahrscheinlich keine Kopfschmerzen.
Allerdings: Die Beobachtungen deuten zwar darauf hin, dass bei vielen Menschen der Organismus durch Veränderungen von Wetter-Parametern besonderen Belastungen ausgesetzt ist und es vielleicht auch Effekte auf das Kopfschmerzgeschehen von Betroffenen geben könnte. Die Autor:innen entsprechender Studien betonen aber, dass es sehr schwierig ist, aus solchen beobachteten Korrelationen eine schlüssige Hypothese darüber abzuleiten, welche Wirkmechanismen für einen etwaigen Zusammenhang verantwortlich sein könnten.
Mehr zum Thema Wetter und Kopfschmerz und zur komplexen Studienlage findet sich in diesem und diesem Artikel.
Mythos Nr. 3: Gegen Kopfschmerzen kann man nichts tun
- Falsch
Viele Betroffene fühlen sich ihrem Kopfschmerz hoffnungslos ausgeliefert. Sie haben den Eindruck, dass die nächste Attacke ohnehin kommt – egal, was sie tun oder lassen – und warten hilflos auf den Schmerz. Bei den drei mit großem Abstand häufigsten Kopfschmerzarten Kopfschmerz vom Spannungstyp, Migräne und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz können aber – das zeigen Erhebungen eindeutig – bestimmte präventive Maßnahmen sehr wirksam sein.
Je nach Kopfschmerzart sind unterschiedliche Faktoren für die Entstehung von Attacken verantwortlich. Entsprechend unterscheiden sich auch die Maßnahmen für ihre Vorbeugung. Für Betroffene ist es daher wichtig, dass sie zunächst die richtige Diagnose erhalten. Wer sich dann mit seinem Kopfschmerz vertraut macht und die grundsätzlichen Mechanismen der Entstehung versteht, kann in vielen Fällen durch eigenes Verhalten eine nachhaltige Besserung erreichen.
Zu den genauen Ursachen von Spannungskopfschmerz, Migräne und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz wird schon lange viel geforscht, für wirksame Prävention liegen belastbare Erkenntnisse aus der Praxis vor. Ansatzpunkte sind zum Beispiel ein möglichst gleichmäßiger Tagesablauf, regelmäßige und gesunde Ernährung, ausreichendes Trinken, erholsamer Schlaf, genug Bewegung, Stressreduktion und effektive Entspannung – für Spannungskopfschmerz, Migräne und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz in unterschiedlicher Gewichtung.
Weil neben den allgemeinen Mechanismen aber auch individuelle Faktoren für die Entstehung von Kopfschmerzen eine Rolle spielen, ist es wichtig, dass Betroffene ihr persönliches Kopfschmerzgeschehen verstehen lernen. Wer seinen persönlichen Auslösern auf die Spur kommt, kann besser vorbeugen. Ein Kopfschmerztagebuch (zum Beispiel in Form einer App) hilft, bestimmte Verhaltensweisen und Ereignisse mit den Kopfschmerzen ins Verhältnis zu setzen. Wer über einen gewissen Zeitraum seine Tagesabläufe und die Kopfschmerzattacken dokumentiert, versteht etwaige Zusammenhänge und kann sein Verhalten vorbeugend anpassen.
Wichtig ist aber, dass man sich nicht selbst die Schuld für seine Kopfschmerzen gibt. Zwar kann man in vielen Fällen durch Verhaltensänderungen eine merkliche Besserung erzielen. Aber es bedarf viel Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Zeit, um seine Kopfschmerzen zu verstehen und sein Verhalten zu verändern. Bei besonders schwer Betroffenen ist Prävention allein leider nicht ausreichend, hier sind eine engmaschige ärztliche Betreuung und weitere Maßnahmen notwendig. Man sollte Kopfschmerzprävention auf keinen Fall unversucht lassen, aber großmütig mit sich sein, wenn es nicht sofort und immer klappt.
-
Literatur
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