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Kopfschmerzen im Alltag

Migräne am Strand – Macht Urlaub Kopfschmerzen?

 

Migräne am Strand – Macht Urlaub Kopfschmerzen?  

 

Wieder geht ein anstrengendes Digital-Semester vorbei: Online-Vorlesungen, Lernen am Laptop, auf den letzten Metern noch mal alle Kraft zusammengenommen für die Prüfungen. Nun ist es geschafft und du willst einfach nur die Semesterferien genießen. Wenn die Anspannung des Semesters abfällt, kann es einem doch nur richtig gut gehen – endlich einmal in den Tag hineinleben, den Kopf frei bekommen, sich entspannen und erholen. Migräne im Urlaub: das scheint unmöglich, denn wo der Alltagsstress nicht ist, kann die Migräne einen nicht finden – so würde man denken. Tatsächlich aber kann sich auch in den Ferien die Migräne einstellen, bei manchen Betroffenen sogar vermehrt. Dabei könnte es wohl keine unpassendere Zeit geben, um Kopfschmerzen zu haben, als wenn man einfach mal die Seele baumeln lassen will.

 

Migräne als „leisure sickness“?

Das Phänomen der „leisure sickness“ ist vielen nicht unbekannt: Kaum soll die freie Zeit beginnen, streikt der Körper und zwingt uns zur Ruhe – gerade dann, wenn viele schöne Erlebnisse anstehen, auf die wir uns lange gefreut haben. Laut einer niederländischen Studie leiden etwa drei Prozent der Bevölkerung in unseren Breiten regelmäßig am Phänomen der "leisure sickness", das vor allem vielbeschäftigte Erwachsene im Urlaub oder am Wochenende befällt. Für die Studie der Universität Tilburg wurden 1128 Männer und 765 Frauen im Alter von 16 bis 87 Jahren befragt. Diejenigen unter ihnen, die regelmäßig in ihrer Freizeit krank werden, beschreiben neben Symptomen wie Müdigkeit, Immunschwäche oder Gliederschmerzen vor allem das vermehrte Auftreten von Migräneattacken. Laut der Studie ist dafür, ob man in Erholungsphasen krank wird, nicht etwa entscheidend, welches Geschlecht man hat oder ob man zum Beispiel als Single oder in der Großfamilie lebt. Entscheidend sei, dass es allen Betroffenen schwerfalle, in der Freizeit loszulassen und abzuschalten, so hebt das Forscher*innen-Team um den Psychologen Prof. Adrian Vingerhoets hervor.

 

Warum kommt die Migräne auch nach dem Stress?

Dass als stark empfundener Stress ein entscheidender Faktor bei der Auslösung von Migräneattacken ist, konnte in der Kopfschmerzforschung hinreichend belegt werden. (Hier findest Du einen Blog-Artikel von uns, der diesen Zusammenhang erklärt.) Doch widerspricht das nicht gerade der „leisure sickness“-These, die von vermehrten Attacken an Wochenenden und in den Ferien, also in stressfreien Phasen spricht? Was zunächst paradox scheint, ergibt bei genauerem Hinsehen doch einen Sinn. Entscheidend ist nämlich nicht, dass die Freizeitphase, in der Migräneattacken zunehmen können, für uns stressfrei ist, sondern dass sie sich nach besonders stressigen Phasen abspielt. „Poststress“-Phasen mit einer Zunahme von Migräneattacken sind laut einer US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2014 vor allem dadurch gekennzeichnet, dass das empfundene Stresslevel mit Beginn der Freizeit-Phase sehr plötzlich abfällt. Die Autor*innen legen nahe, dass es diese abrupten Umstellungen sind, die für Migräne-Betroffene eine besondere Herausforderung darstellen („let-down headache“).

 

Stress und Poststress

Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass das „Poststress“-Phänomen umso erheblicher ausfällt, je stärker die vorhandene Erschöpfung empfunden wird. Sehen wir das vor dem Hintergrund der besprochenen niederländischen Studie, kann man sagen: Nicht die Tatsache, dass wir an den Wochenenden und in den Ferien wenig oder keinen Stress empfinden, führt dazu, dass wir in unserer Freizeit an Migräneattacken leiden können. Entscheidend für die Entstehung der Migräne ist, dass wir in unserem Alltag immer wieder oder dauerhaft zu viel Stress empfinden – und ein plötzlicher Abfall des Stresses uns dann unmittelbar überfordern kann und/oder wir nicht in der Lage sind, den Alltagsstress in der Freizeit wirklich loszulassen.

 

Was kann ich tun?

Aus dem Bild, das die aktuelle Forschung zeichnet, lässt sich ableiten, wo wir aktiv präventiv gegen „Poststress“-Migräneattacken im Urlaub und der Freizeit vorgehen können.

 

Auf Anspannung folgt Entspannung: Stress und Loslassen

Äußere Stress-Faktoren lassen sich nicht immer vermeiden. Du kannst die Tatsache, dass am Ende des Semesters wichtige Prüfungen anstehen, nicht verändern und auch handfeste Belastungen in anderen Bereichen des Lebens, sei es im Nebenjob, im Freundeskreis oder der Familie, lassen sich oft nicht einfach abstellen. Was du aber lernen kannst, ist einen Ausgleich zu finden und loszulassen. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass für das Erholen von großen Arbeitsbelastungen zwei Faktoren ausschlaggebend sind: Das Loslassen von Gedanken, die durch Arbeitsthemen dominiert sind und eine generell positive Einstellung gegenüber der eigenen Arbeit.

 

Den Alltag positiv verabschieden

Letzteres lässt sich laut den Autor*innen der Studie zum Beispiel erreichen, indem man am Ende eines Arbeitstages an erfreuliche Ereignisse dieses Tages zurückdenkt und weitere solcher Ereignisse antizipiert. Versuch doch einmal, als letzte Amtshandlung an einem langen Lerntag einen Rückblick auf seine schönen Ereignisse zu werfen. Nimm dir ein Blatt Papier und schreibe in ein paar Zeilen auf, was dich heute besonders begeistert, interessiert und motiviert hat und worauf du dich am nächsten Lerntag freust. Vielleicht hast du ein Erfolgserlebnis beim Lernen gehabt? Vielleicht hat dich eine Dozentin besonders inspiriert? Vielleicht gab es eine besondere Erkenntnis, die dir etwas Neues erschloss? Vielleicht bist du auch einfach nur dankbar gewesen für die Möglichkeit, studieren zu können? Probiere dieses Ritual zwei Wochen lang aus und sieh, was sich dadurch für dich verändert – und vielleicht willst Du es danach gleich beibehalten. Durch ein solches kurzes Resümee gewinnst du ein positives Verhältnis zu deinem Uni-Alltag und schaffst gleichzeitig einen klaren Abschluss des Lerntags gegenüber dem Abend, Wochenende oder Urlaub – womit wir beim zweiten entscheidenden Faktor, dem Loslassen, wären.

 

Loslassen lernen

In derselben Studie konnte gezeigt werden, dass Proband*innen, denen es gelingt, nach der Arbeit, also auch nach dem Abschluss-Resümee, die Gedanken nicht mehr auf die Arbeit zu richten, sondern sich zum Beispiel ganz in ein geliebtes Hobby zu vertiefen, eine deutlich effektivere Erholung empfanden als Proband*innen, denen dies nicht gelang. Wenn es etwas gibt, das dich den Kopf frei kriegen lässt und das du gut in deinen Alltag integrieren kannst: bemühe dich, dieser willkommenen Ablenkung regelmäßig nachzukommen – und sei der Alltag gerade noch so stressig. Eine halbe Stunde zum Sportmachen, Musikhören oder die Natur genießen kannst du fast jedem Tag abspenstig machen, und der Unterschied in Sachen Loslassen ist groß. Und es hilft dir nicht nur im Alltag: Wenn du dieses abendliche Loslassen schon etwas eingeübt hast, wird es dir auch im Urlaub leichter fallen, den Unistress nicht an dich heranzulassen. Ein Klassiker der Entspannungstechniken, der auch hier eine große Hilfe sein kann, ist die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Hier haben wir eine Version entwickelt, die du leicht in deinen Tagesablauf integrieren kannst – vielleicht wird ja auch diese Entspannungstechnik ein regelmäßiges Ritual, das dich den Alltagsstress ablegen lässt. Du findest die Übung auch in der App, sodass du sie an jedem Ort der Welt, also auch im Urlaub, machen kannst.

 

Rituale mit in den Urlaub nehmen

Wer es schafft, im Alltag eine gesunde Praxis des Ausgleichs und des Loslassens zu haben, der wird den Übergang zum Urlaub viel sanfter erleben. Für Migränebetroffene ist nun für einen gelungenen Start in die Ferien aber ein weiterer Faktor besonders entscheidend: die Regelmäßigkeit im Tagesablauf. Wenn du dir die Informationen zur Migräne auf der Website durchgelesen hast, wirst du erkannt haben, dass eine der zentralen Säulen der Migräneprävention der regelmäßige Tagesablauf ist: Regelmäßiger Schlaf zu möglichst gleichbleibenden Zeiten, regelmäßige Essens- und Trinkzeiten zum Ausgleich des Energiehaushalts und regelmäßige Phasen der bewussten Entspannung sind die Eckpfeiler der Migräneprävention.

 

Auch im Urlaub die Kopfgesundheit nicht aus dem Blick verlieren

Wenn du einmal genauer darüber nachdenkst, was im Urlaub anders ist als in deinem Alltag, dann wird dir auffallen, dass nicht nur das Arbeitspensum ein anderes ist und das generelle Stresslevel sich verändert, sondern dass sich auch viele Abläufe in der ‚Grundversorgung‘ deines Körpers verschieben. Wenn du Migränebetroffener bist, hast du es vielleicht inzwischen geschafft, im Alltag einige der Regeln zu beherzigen, die dazu beitragen, Migräneattacken vorzubeugen. Vielleicht hast du damit aber auch noch gar nicht angefangen oder es fällt dir noch schwer – in jedem Fall ist der Urlaub die richtige Zeit, um sich immer wieder bewusst daran zu erinnern, dass die Regelmäßigkeit im Tagesablauf für die Migräneprävention sehr wichtig ist. Natürlich bist du jetzt froh darüber, auch mal ausschlafen zu können und willst dich lieber entspannen, als ständig an die nächste Mahlzeit zu denken oder das obligatorische Glas Wasser aufzutreiben. Aber mach dir bewusst, dass diese kleinen Maßnahmen dir dabei helfen können, deinen Urlaub schmerzfrei zu erleben.

 

Lass dich nicht von der Migräneprävention stören – lass dich erinnern

Damit du in deiner freien Zeit nicht all diese Dinge ständig im Kopf behalten musst und du nicht das Gefühl hast, vor lauter Regeln die Erholung zu verpassen, kannst du dir bei der gesunden Gestaltung auch deiner freien Tage gut von unserer App helfen lassen. Behalte damit zum Beispiel die Regelmäßigkeit deiner Schlafzeiten im Blick oder verfolge, ob du regelmäßig isst und trinkst. Vor allem aber lass dich über den Tag hinweg an all diese Dinge mit kleinen Notifications erinnern, damit du nicht selbst daran denken musst, sondern den Kopf frei bekommst. Eine freundliche Erinnerung an ein Glas Wasser und eine Zwischenmahlzeit oder dein täglicher Gong zur Entspannungsübung tragen sicher dazu bei, dass du dich ganz auf deine Erholung konzentrieren kannst. Und zum Schluss ein kleiner Hinweis mit großer Wirkung: Wenn du an deinen freien Tagen auch einmal gemütlich ausschlafen, aber ohne Migräne aufwachen willst, solltest du ganz besonders darauf achten, deine Bettmahlzeit nicht zu vergessen. Die Bettmahlzeit ist in allen Lebensphasen ein wirksames Mittel in der Migräneprävention, und wenn der Schlaf mal etwas länger wird, umso wichtiger. Wenn du dann am nächsten Morgen erholt aufwachst, warte nicht lange mit dem Frühstück, sondern lass es dir direkt schmecken – denn auch im Urlaub ist die Aufrechterhaltung der Energieversorgung deines Hochleistungsgehirns Trumpf!

 

 

  • 1. Vingerhoets AJJM, Van Huijgevoort M, Van Heck GL. Leisure sickness: a pilot study on its prevalence, phenomenology, and background. Psychother Psychosom. 2002;71:311–317. doi:10.1159/000065992.

    2. Lipton RB, Buse DC, Hall CB, Tennen H, Defreitas TA, Borkowski TM, Grosberg BM, Haut SR. Reduction in perceived stress as a migraine trigger: testing the ‘let-down headache’ hypothesis. Neurology. 2014;82:1395–1401. doi: 10.1212/WNL.0000000000000332.

    3. Waeldin S, Vogt D, Linden M, Hellhammer DH. Frequency of perceived poststress symptoms in inpatients, outpatients and healthy controls: the role of perceived exhaustion and stress. Psychother Psychosom. 2016;85:36–44. doi: 10.1159/000438866.

    4. Sonnentag S, Niessen C. To detach or not to detach? Two experimental studies on the affective consequences of detaching from work during non-work time. Front. Psychol. 2020;11:560156. doi: 10.3389/fpsyg.2020.560156.

    5. Smit BW. Successfully leaving work at work: The self-regulatory underpinnings of psychological detachment. Journal of Occupational and Organizational Psychology. 2016;89:493–514. doi: 10.1111/joop.12137.

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