Der Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz
Wenn Schmerzmittel Schmerzen auslösen: der Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz
Es klingt paradox, aber ist doch wahr: Medikamente gegen Kopfschmerz können selbst Kopfschmerz auslösen. Dies ist auf einen Regulierungsmechanismus in unserem Nervensystem zurückzuführen: Nehmen wir über einen längeren Zeitraum regelmäßig Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen ein, erhöht das Nervensystem die Schmerzempfindlichkeit – obwohl wir mit den Medikamenten eigentlich erreichen wollen, dass wir weniger Schmerz empfinden.
Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz infolge von falscher Medikamenteneinnahme
Unser Organismus versucht so, das ursprüngliche, ‚normale‘ Maß der Schmerzwahrnehmung wiederherzustellen, um die wichtigen Warn- und Schutzfunktionen, die Schmerzen haben können, zu erhalten. Dieser Mechanismus kann zur Folge haben, dass das Absetzen von Schmerzmedikamenten nach einer längeren regelmäßigen Einnahme einen als besonders stark empfundenen, sogenannten Rückschlag-Kopfschmerz nach sich zieht. Viele Patient*innen reagieren darauf wiederum mit einer erneuten Einnahme von Schmerzmitteln und der Teufelskreis schließt sich: Schmerz und Medikamentengebrauch schaukeln sich gegenseitig immer weiter hoch. Die Folge ist der sogenannte Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz.
Die 10-20-Regel
Die gute Nachricht ist: Wenn man eine Grundregel einhält, kann man die Entstehung des Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerzes zuverlässig verhindern. Betrachtet man einen Zeitraum von einem Monat, so gilt: Die Zahl der Tage, an denen Schmerzmittel gegen Migräne und Kopfschmerz eingenommen werden, darf maximal 10 betragen, und zwar unabhängig von der Dosierung. Die restlichen 20 Tage des Monats müssen komplett frei von Schmerzmitteln bleiben.
Um die Regel sicher anzuwenden, ist es sinnvoll, die eigene Medikamenteneinnahme zu dokumentieren. Das kann man in seinem Terminkalender machen oder in einem eigenen Medikamententagebuch (siehe z.B. hier; besonders gut eignet sich die App). Man behält dadurch den Überblick darüber, ob man sich im betreffenden Zeitraum noch im ungefährlichen Bereich bewegt oder ob Vorsicht geboten ist. Die gewissenhafte Beachtung der 10-20-Regel beugt der Erhöhung der Schmerzempfindlichkeit vor und stellt sicher, dass die Mittel gegen Kopfschmerz wirksam bleiben.
Tabletten-Auszeit als Gegenmaßnahme
Falls sich ein Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz eingestellt hat, muss das Schmerzregulationssystem mit ärztlicher Begleitung wieder normalisiert werden. Eine übliche Gegenmaßnahme ist eine Medikamentenpause. Im Englischen trägt sie den sympathischen Namen „drug holidays“, also „Medikamentenferien“. Besonders wirksam sind Medikamentenferien, wenn sie stationär in Kliniken durchgeführt werden, die besonders darauf ausgerichtet sind. Dadurch ist eine bestmögliche, durchgehende ärztliche Begleitung sichergestellt. Die Behandlung nimmt ungefähr zwei Wochen in Anspruch. Die Patient*innen können mit speziellen Medikamenten behandelt werden, die helfen, die ausgelaugten Vorräte an Botenstoffen wieder aufzufüllen. Begleitend dazu sollen die Betroffenen in die Lage versetzt werden, künftig vor allem nicht-medikamentöse Maßnahmen gegen Kopfschmerzen anzuwenden.
Medikamente nur gezielt einsetzen
Eine medizinisch unterstützte und von Ärzt*innen begleitete Medikamentenpause ist für Patient*innen mit Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz sehr gewinnbringend. Durch die Neu-Justierung des Schmerzregulationssystems bekommen Betroffene die Kontrolle über ihr Kopfschmerzgeschehen und damit ein großes Stück Unabhängigkeit zurück. Zusätzlich kann eine umfassende Schulung vorgenommen werden, die den Betroffenen hilft, Medikamente künftig gezielt und richtig dosiert einzusetzen und damit die bestmögliche Wirkung gegen Kopfschmerzattacken zu erzielen.
Der sichere Weg: Prävention ohne Medikamente
Im Zentrum der Behandlung sollte allerdings immer die verhaltensgestützte Vorbeugung von Kopfschmerzen ohne den Einsatz von Medikamenten stehen. Wer es schafft, die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention in seinen Alltag zu integrieren, kann die Medikamenteneinnahme auf das mögliche persönliche Minimum reduzieren. Den Einsatz von Kopfschmerzmedikamenten verantwortungsvoll zu reduzieren sollte aus mehreren Gründen Priorität haben: Wer verhindern kann, in den Teufelskreis von Schmerzen und Medikamenteneinnahme zu geraten, kann dem belastenden Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz entgehen und verhindern, aufwendige Gegenmaßnahmen ergreifen zu müssen. Außerdem können weitere, zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Schmerzmedikamenten verbunden sind, vermieden werden.
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Literatur
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