Migräne ist keine Allergie
Migräne ist keine Allergie
Migräne ist keine allergische Erkrankung, doch haben Allergiker häufiger Migräne. Dieser Zusammenhang fiel Medizinern bereits vor mehr als einem Jahrhundert auf. Frühere Untersuchungen einzelner Fälle, vorrangig aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, beschrieben ein häufiges Auftreten von Allergien bei Migränepatienten, wobei man in den allergischen Reaktionen einen Auslöser für die Migräne sah. Auch sei die Migräne-Symptomatik oftmals infolge einer Allergiebehandlung verschwunden. Aus heutiger Sicht ist die Aussagekraft dieser Untersuchungen jedoch gering, da die Berichte oft nur kurze Beobachtungszeiträume und in der Regel eine sehr geringe Fallzahl umfassten.
Der Zusammenhang zwischen Migräne und chronischem Schnupfen
Neuere Untersuchungen zur Migräne beschäftigten sich mit häufigen Folgeerkrankungen der Allergie, nämlich dem chronischen Schnupfen (Rhinitis chronica) und dem Asthma. Aus einer Untersuchung zur chronischen Rhinitis bei 5894 Migränepatienten ergab sich, dass die Beeinträchtigung durch Kopfschmerzereignisse dann am stärksten ausgeprägt war, wenn Betroffene an einem chronischen Schnupfen litten. Dieser konnte sowohl durch eine Allergie als auch durch unspezifische Reize wie Zigarettenrauch, Parfüm o. Ä. ausgelöst werden.
Die gleiche Patientengruppe war auch häufiger von Asthma betroffen. Den Zusammenhang zwischen Migräne und Asthma hat eine taiwanesische Studie im Jahr 2016 an 127.798 Patienten genauer untersucht. Es zeigte sich, dass das Migränerisiko bei Asthmapatienten 1,45-fach erhöht ist.
Häufige, aber oftmals falsche Diagnose: „Nebenhöhlen-Kopfschmerz"
Unglücklich ist, dass die Kopfschmerzen von Allergiepatienten sehr häufig als „Nebenhöhlen-Kopfschmerz“ diagnostiziert werden, obwohl oftmals eine echte Migräne dahintersteckt. Die SAMS-Studie (Sinus, Allergy and Migraine Study) des Kopfschmerzzentrums in Scottsdale, Arizona, konnte schon 2006 zeigen, dass ein Großteil der Patienten mit sogenannten Nebenhöhlenkopfschmerzen falsch diagnostiziert wurde.
Neben vielen Selbstdiagnosen waren darunter auch Fehldiagnosen von Fachärzten. So litten von den insgesamt 100 Teilnehmenden der Studie, die allesamt davon ausgingen, an Nebenhöhlen-Kopfschmerz zu leiden, 52% in Wirklichkeit an einer Migräne und 11% an einem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz in Zusammenhang mit einer Migräne. Insgesamt waren also 63% der Teilnehmenden von einer Migräne betroffen. Im Durchschnitt litten die Betroffenen seit 24 Jahren unter Kopfschmerzen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits an durchschnittlich 14 Tagen pro Monat auftraten. Die Arbeitsgruppe bestätigte damit, was in der Literatur schon vermutet wurde, nämlich dass der Nebenhöhlenkopfschmerz die häufigste Fehldiagnose bei Migränepatienten ist.
Hoffnung durch Allergiebehandlung?
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte außerdem eine Analyse der medizinischen Universität Cincinnati aus dem Jahr 2010. Die Studie untersuchte die Wirkung einer allergenspezifischen Immuntherapie bei 536 Patienten. Die Gruppe der Patienten, die eine Immuntherapie erhalten hatten, litt signifikant weniger an Migränebeschwerden als die Gruppe, die keine Immuntherapie erhielt. Allerdings galt dies nur für Patienten, die jünger als 40 Jahre waren.
Allergien nicht die eigentliche Ursache für Migräne
Keine der erwähnten Studien sieht in der Allergie die Ursache für die Migräne, sodass dies nach heutigem Stand der Wissenschaft auszuschließen ist. Allerdings finden sich in zahlreichen Untersuchungen Hinweise, dass eine Allergie ein Auslöser für eine Migräneattacke sein kann. Dies gilt insbesondere für inhalative Allergene, die auf die Schleimhaut im Kopfbereich einwirken.
Eine mögliche Erklärung ist der akut hohe Energieverbrauch, der bei einer allergischen Reaktion auftritt. So sind allergische Reaktionen mit hohem vegetativem Stress verbunden – und jegliche Art von Stress kann wiederum die Migräne triggern.
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Literatur
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1. Martin VT, Fanning KM, Serrano D, Buse DC, Reed ML, Bernstein JA, Lipton RB. Chronic rhinitis and its association with headache frequency and disability in persons with migraine: results of the American Migraine Prevalence and Prevention (AMPP) Study. Cephalalgia. 2014 Apr;34(5):336–48. doi: 10.1177/0333102413512031. Epub 2013 Nov 25. PubMed PMID: 24275145.
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