Schlaf und Kopfschmerz

Schlaf und Kopfschmerz – Neues aus der Forschung
Menschen, die unter Kopfschmerzen leiden, klagen oft auch über schlechten Schlaf. Medizinische Praxis und Forschung sind sich einig: Zwischen Schlaf und Kopfschmerz gibt es einen Zusammenhang. Über die genauen körperlichen Ursachen dieser Verbindung wird noch immer angeregt geforscht. Was sind die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet?
Schlaf und Migräne: Was sagt die Wissenschaft?
Näher wissenschaftlich auseinandergesetzt mit dem Zusammenhang zwischen Migräne und Schlaf hat sich kürzlich eine italienische Forschungsgruppe. In einer umfangreichen Übersichtsarbeit trugen die Wissenschaftler:innen Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Untersuchungen zusammen und konnten so eine Reihe von Faktoren identifizieren, die Migräne begünstigen. Schlechter Schlaf wurde dabei über alle Altersstufen hinweg als wichtige Ursache ausgemacht. In den ausgewerteten Studien berichten bis zu zwei Drittel der Migränebetroffenen von (gelegentlicher) Schlaflosigkeit als Auslöser ihrer Beschwerden. Zwischen 10 und 15 % der Befragten erfüllten sogar die Kriterien für chronische Schlaflosigkeit.
In einem engen Zusammenhang mit mangelhafter Schlafqualität stehen nächtliche Störungen der Atmung. Häufige Atemaussetzer führen zu unruhigem Schlaf und gelegentlichem Erwachen, der Sauerstoffgehalt des Blutes schwankt erheblich und kann sogar im Laufe der Nacht dauerhaft absinken. Dies stört die nächtliche Regeneration des Nervensystems. Die Betroffenen fühlen sich nach dem Aufstehen nicht erholt und haben ein erhöhtes Risiko, am Tag eine Migräneattacke zu bekommen. Eine andauernde Schläfrigkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit kommen oft noch hinzu. Hieraus kann ein Teufelskreis entstehen: Die Migräne verschlimmert sich und beeinträchtigt den nächtlichen Schlaf, und dies kann wiederum als Migräne-Trigger wirken: Zahl und Schwere der Migräneattacken nehmen zu.
Die Kombination aus Schlafstörungen und Migräneattacken stellt für Betroffene eine besondere Belastung dar – dies konnte eine Untersuchung aus Japan nachweisen. Mithilfe des allgemein anerkannten „MIDAS-Scores“, der den Grad der Beeinträchtigung angibt, den Migräne-Patient:innen durch ihre Erkrankung erfahren, konnte sichtbar gemacht werden, dass die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Schlafstörungen zunimmt: Je stärker die Schlafstörung war, desto höher stieg der MIDAS-Score der Betroffenen.
Auch bei Spannungskopfschmerz ist Schlaf ein Auslöser
Die Existenz von speziellen Auslösern einer Schmerzattacke, den Triggern, ist für Migränekopfschmerz lange bekannt. Migränetrigger sind seit Jahrzehnten Gegenstand von Forschungsarbeiten. Beim Spannungskopfschmerz wurden spezifische Auslöser lange Zeit deutlich weniger erforscht, was sich aber in den vergangenen Jahren geändert hat. Inzwischen geht man auch beim Kopfschmerz vom Spannungstyp davon aus, dass es für diese Kopfschmerzart nachweisbare Auslöser gibt. Heute gilt als gesichert, dass auch bei Spannungskopfschmerz mangelhafter, nicht erholsamer Schlaf einer davon ist, und zwar, neben Stress, ein ganz entscheidender. (Ein eigener Artikel zum Zusammenhang von Schlafstörungen und Spannungskopfschmerz findet sich hier.)
Eine Erhebung von Neurolog:innen aus dem litauischen Kaunas zur Bedeutung von Schlaf sowohl bei Spannungskopfschmerz- als auch bei Migräne-Betroffenen zeigte, dass Spannungskopfschmerz-Betroffene sogar noch stärker von Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit geplagt werden als Migränepatient:innnen. Atemaussetzer im Schlaf waren in beiden Gruppen etwa gleich häufig. Auch bei der sogenannten EDS-Rate (eine wissenschaftlich ermittelte Messgröße für Schläfrigkeit am Tag, „Excessive Daytime Sleepiness“) unterschieden sich die Patient:innen der beiden Gruppen nicht. Drei Viertel der Menschen mit Spannungskopfschmerz und mehr als die Hälfte derer mit Migräneerkrankung benannten unzureichenden Schlaf als Trigger für ihre Beschwerden. Die Autor:innen empfehlen einen kombinierten Behandlungsansatz aus Schmerzbekämpfung, Verbesserung der emotionalen Verfassung der Betroffenen sowie gezielter Bekämpfung der Schlaflosigkeit.
Die Pathogenese: Warum gibt es diesen Zusammenhang?
Der Frage, welche genauen körperlichen Mechanismen für die Verbindung von Kopfschmerz und Schlaf verantwortlich sein könnten, ging eine spanische Forscher:innengruppe nach. Der Fokus lag auf der Frage, wie es dazu kommt, dass sich unsere Schmerzempfindlichkeit erhöht, d.h. dass die Schwelle, von der an wir Schmerz als solchen wahrnehmen, herabgesetzt wird. Eine Annahme ist, dass die Steuerung von Schlaf und die Entstehung von Kopfschmerz auf die gleichen Hirnareale zurückgreifen, es also möglicherweise auch gemeinsame pathogenetische Wurzeln für beide Störungen gibt.
Interessant sind in diesem Kontext auch die neueren Erkenntnisse über eine mögliche Verbindung zu Erkrankungen des Formenkreises rund um Angststörungen und Depression: Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es auch bei diesen Krankheiten zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit im ganzen Körper kommen kann. Dahinter vermutet man wiederum die Verstärkung der Empfindlichkeit unserer Rezeptoren für Schmerz. Ob es zwischen den verantwortlichen Pathomechanismen wechselseitige Beziehungen gibt, das eine also das jeweils andere verschlimmern kann, ist Gegenstand intensiver Forschung.
Für diese Frage nimmt man insbesondere das Serotonin und das Melatonin unter die Lupe. Von diesen Hormonen ist lange bekannt, dass sie unter anderem für Schlaf, Tag-Nacht-Rhythmik, Stimmungs- und Affektregulation, Angst, Belohnungsverarbeitung und bei der Steuerung unserer Wahrnehmung eine große Rolle spielen. Es ist daher nachvollziehbar, dass Serotonin und Melatonin in einem so großen Formenkreis von Erkrankungen – vor allem in Bezug auf das Zusammenspiel von körperlichem und seelischem Befinden – und sehr wahrscheinlich auch bei der Entstehung von Kopfschmerz mitwirken.
Vorbeugung: Was kann man selbst beitragen?
Die große Zahl von Forschungsarbeiten zum Thema Schlaf und Kopfschmerz zeigt eindrucksvoll die Bedeutung von gutem, erholsamem und ungestörtem Schlaf für die Kopfgesundheit. Dabei gilt vor allem für Migränebetroffene, aber auch für Spannungskopfschmerz-Patient:innen: Regelmäßige Tagesabläufe sind wichtig. Jede Abweichung vom gewohnten Schlafrhythmus beispielsweise wird vom Körper als Störung wahrgenommen, mit der er umgehen muss und im ungünstigen Fall mit Kopfschmerzattacken reagiert. Für Migränebetroffene ist es besonders wichtig, gleiche Schlaf-Wach-Zeiten einzuhalten und auch am Wochenende nicht wesentlich davon abzuweichen. Ein Schlaftagebuch kann dabei helfen, hier eigene Defizite zu erkennen und gegenzusteuern (mit der Headache-Hurts-App etwa lässt sich dies einfach umsetzen).
Ein weiterer Aspekt, der gesunden Schlaf so wichtig erscheinen lässt: In zahlreichen Arbeiten der vergangenen Dekade konnte gezeigt werden, dass unser Gehirn im Tiefschlaf wichtige Reinigungsvorgänge durchläuft. Denn während es tagsüber arbeitet, fallen Abfallstoffe an, die entsorgt werden müssen, und diese Entsorgung vollzieht sich vor allem nachts. Dabei werden auch Substanzen unschädlich gemacht, deren Anhäufung unter anderem für die Entstehung von Demenz-Erkrankungen verantwortlich gemacht wird. Guter, ausreichender Schlaf ist daher ein entscheidender Faktor für unsere allgemeine Gesundheit und auch ein zentraler Ansatzpunkt in der Kopfschmerzprävention.
Veröffentlicht: August 2025
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Literatur
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