Was war zuerst da? Über Schlafstörungen und Spannungskopfschmerz
Was war zuerst da? Über Schlafstörungen und Spannungskopfschmerz
Wer schlecht schläft, hat ein erhöhtes Risiko, Kopfschmerzen zu bekommen. Gleichzeitig bringen Kopfschmerzen oft Schlafstörungen mit sich. Unbestritten ist, dass beide sich gegenseitig beeinflussen – der Kopfschmerz und der schlechte Schlaf –, aber ganz so einfach lässt sich nicht ausmachen, wer am Anfang steht. Welche direkten Zusammenhänge man zwischen Schlafstörungen und Kopfschmerz vom Spannungstyp herstellen kann, untersuchen wir in diesem Artikel.
Was ist „Schlaf“ eigentlich?
Als Schlaf wird ein besonders tiefer körperlicher Ruhezustand bezeichnet, bei dem viele Körperfunktionen sparsamer ausgeführt werden als im wachen Zustand. Reduziert sind beispielsweise Atmung, Puls und Gehirnfunktionen. Obwohl noch nicht abschließend erforscht ist, warum wir überhaupt schlafen müssen, kann man davon ausgehen, dass Schlaf sehr wahrscheinlich der Erholung und Heilung des Körpers dient. Für diese Annahme spricht beispielsweise, dass länger anhaltender Schlafmangel unser Immunsystem beeinträchtigt.
Schlaf steht ganz allgemein in einem engen Zusammenhang mit unserem Wohlbefinden, und er wirkt sich auch auf das Kopfschmerzgeschehen aus. Nicht nur wie lange wir schlafen, sondern auch die Qualität des Schlafs ist hier von Bedeutung. Wacht man nachts immer wieder auf, oder findet man manchmal gar keine Ruhe, ist das Atmen unregelmäßig oder von lautem Schnarchen begleitet? All diese Faktoren spielen eine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob wir morgens erfrischt und erholt erwachen und voller Energie in den Tag starten oder ob wir uns wie gerädert fühlen und kaum aus dem Bett kommen.
Macht schlechter Schlaf Kopfschmerzen?
Der Kopfschmerz vom Spannungstyp, wie er korrekt genannt wird, ist die am häufigsten auftretende Kopfschmerzart. Im Vergleich zur Migräne hat er allerdings von jeher weniger Aufmerksamkeit der Forschenden auf sich gezogen – möglicherweise gerade deshalb, weil er so weit verbreitet ist: Von vielen wird er eher als alltägliche Begleiterscheinung und weniger als eigenständige Erkrankung wahrgenommen.
Schlafstörungen werden in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen als potenter Auslöser für Kopfschmerz vom Spannungstyp beschrieben. Zumeist bilden sie den Ausgangspunkt für gelegentlich auftretenden, sogenannten episodischen Kopfschmerz. Wer jedoch über längere Zeit hinweg schlecht schläft, läuft Gefahr, dass sich aus dem episodischen ein chronischer Kopfschmerz entwickelt – eine Entwicklung, aus der die Patient:innen manchmal nur schwer wieder herausfinden. Ein chronifizierter Spannungskopfschmerz liegt nach Schätzungen der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) bei bis zu 3 Prozent der Bevölkerung vor. Er stellt eine starke Behinderung im Arbeitsalltag und in der Freizeit der Betroffenen dar. Zudem wird chronischer Kopfschmerz mit der Entwicklung von psychiatrischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depression in Verbindung gebracht.
Schlafstörungen und Spannungskopfschmerz: Ein bidirektionales Verhältnis
Unter den Oberbegriff „Schlafstörungen“ fällt eine ganze Reihe unterschiedlicher Phänomene. Dazu zählen beispielsweise das Schnarchen, der Bruxismus (Knirschen mit den Zähnen; siehe dazu den „Zähneknirschen und Kopfschmerz – Was ist Huhn und was ist Ei?“) oder auch die Schlafapnoe, also das zeitweilige Aussetzen der Atmung während des Schlafens.
Gestörter Schlaf und Kopfschmerz vom Spannungstyp stehen in einem bidirektionalen Zusammenhang. Das bedeutet, dass sich beide Sachverhalte auf den jeweils anderen auswirken. Das analytische Problem lautet: Schlafprobleme kommen häufig bei Patient:innen mit Kopfschmerz vor, und umgekehrt klagen Kopfschmerzbetroffene oft über Schlafprobleme. Dieser Umstand macht die Erforschung der Vorgänge in diesem Feld besonders schwierig. Man muss alle Kausalitäten, die am Werk sind, besonders sauber definieren und auseinanderhalten, um nicht gleichzeitig alles und nichts zu beweisen. Die koreanische Neurologin Soo-Jin Cho legt in einem Übersichtsbeitrag besonderes Augenmerk auf den Umstand der Bidirektionalität: Sie hält es für möglich, dass solche beiderseitigen Abhängigkeiten von Krankheitsphänomenen auf gemeinsame, zugrundeliegende pathophysiologische Mechanismen hindeuten.
Schlafapnoe – wenn im Schlaf der Atem aussetzt
Bei der Schlafapnoe handelt es sich um ein vorübergehendes Ausbleiben der Atemtätigkeit während des Schlafens. Davon sind zwischen zwei und vier Prozent der Bevölkerung betroffen, wobei die Dunkelziffer vermutlich um ein Vielfaches höher liegt. Bei vielen Patient:innen kommt es aufgrund dieser Atemstörung zu einem morgendlichen Aufwachkopfschmerz. Die Mechanismen hinter dem Phänomen sind Gegenstand zahlreicher Studien geworden. Eine amerikanische Forscher:innengruppe konnte eine Dosisabhängigkeit nachweisen: Je öfter sich bei den Patient:innen eine Schlafapnoe einstellte und je länger die Atemaussetzer dauerten, desto stärker wurde der Aufwachkopfschmerz wahrgenommen. Alberti und Mitarbeiter:innen untersuchten Patient:innenkollektive, von denen eines von Schaflosigkeit und das zweite von Schlafapnoe betroffen war. Man fand heraus, dass in beiden Gruppen etwa die Hälfte der Proband:innen über morgendlichen Kopfschmerz berichtete. Bei den von Atemaussetzern Betroffenen wurde der Kopfschmerz als besonders stark bewertet. Ähnliche Zusammenhänge werden in einschlägigen Studien aus Europa und Asien berichtet.
Eine interessante Hypothese brachte Morten Engstrøm von der Universität Trondheim in die Diskussion. Er stellte die Frage in den Raum, ob Patient:innen mit Spannungskopfschmerz womöglich aufgrund erblicher Veranlagung mehr Schlaf benötigen als nicht Betroffene. Trifft das zu, könnten bereits geringe Schlafstörungen und -defizite gerade bei diesen Menschen weitreichende Folgen haben – darunter auch Kopfschmerzattacken.
Die physiologischen Folgen einer Apnoe
Durch die Atemstillstände sinkt die nächtliche Sauerstoffsättigung des Blutes ab, zugleich steigt sein Kohlendioxidgehalt an. Durch den gestiegenen CO2-Spiegel im Blut kommt es zu einer Weckreaktion des Körpers, aufgrund derer die Atmung wieder einsetzt. Eine Schlafapnoe kann eine besondere Belastung für das Herz-Kreislauf-System sein, weil dieses trotz schwankendem Sauerstoffgehalt des Blutes die Versorgung konstant halten und entsprechend mehr Blut in die Organe transportieren muss. Mit der Schlafapnoe geht daher unter anderem auch ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall einher.
In einer umfangreichen Untersuchung, der sogenannten „Cleveland Family Study“ mit mehr als 2200 Teilnehmer:innen wurde gezeigt, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der nächtlichen Untersättigung des Blutes mit Sauerstoff und dem Auftreten des morgendlichen Aufwachkopfschmerzes gibt.
Gibt es therapeutische Möglichkeiten?
Ein möglicher Weg zur Bekämpfung des Aufwachkopfschmerzes ist die Therapie mit einer Atemmaske, die sogenannte BIPAP-Beatmung (engl.: Biphasic Positive Airway Pressure). Durch die Maske wird den Patient:innen Atemluft unter leicht erhöhtem Druck verabreicht; das verhindert bei den meisten Betroffenen die Atemstillstände und bessert die Schlafqualität. In vielen Fällen verschwinden dadurch auch die morgendlichen Kopfschmerzen. Allerding empfinden viele Menschen das Tragen einer Atemmaske im Schlaf als unbequem, sodass es häufig nur das letzte Mittel für eine Linderung der Symptomatik ist.
Guter Schlaf beugt Kopfschmerzen vor
Wenn man aus der Zahl der Forschungsarbeiten, die zu einem Thema verfasst wurden, dessen Bedeutung für uns Menschen ableiten kann, so wird klar, wie wichtig guter, ungestörter Schlaf für unser Wohlbefinden ist. Das ist vermutlich deshalb so, weil unser Organismus im Schlaf ungeheuer viele Prozesse durchläuft, die es ihm tagsüber immer wieder aufs Neue ermöglichen, tadellos zu funktionieren (siehe dazu auch den Beitrag „Das Gehirn – ein echter Nachtarbeiter“).
Die Aufnahme und Verarbeitung neuer Sinneseindrücke, konzentriertes Lernen, Sport, angeregte Unterhaltungen – eines ist allen Tätigkeiten gemeinsam: Nach sieben bis acht Stunden erholsamer Nachtruhe und mit frischem Kopf lassen sich solche Anstrengungen gut bewältigen – und uns abends zufrieden in den wohltuenden Schlaf sinken. Wer herausfinden möchte, welchen Einfluss Schlafrhythmus und -qualität auf das eigene Kopfschmerzgeschehen haben, kann sein Schlafverhalten dokumentieren. Das geht z.B. mithilfe eines Schlaftagebuchs oder mit der Headache Hurts App, die neben dem Schlaf und anderen kopfschmerzrelevanten Faktoren auch die einzelnen Kopfschmerzereignisse dokumentiert. Die/der Nutzer:in kann so herausfinden, welchen Zusammenhang es bei ihr/ihm persönlich zwischen dem Schlaf und den Kopfschmerzepisoden gibt.
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Literatur
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