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Stress und Kopfschmerz

Stress – was ist das eigentlich?

 

Stress – was ist das eigentlich?  

Eine der ersten Definitionen dieses Begriffes stammt vom ungarisch-kanadischen Mediziner Hans Selye1. Er versteht unter Stress die „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“. Selye nannte das einmal den „körperlichen Ausdruck einer allgemeinen Mobilmachung der Verteidigungskräfte im Organismus“. Wir empfinden Stress als Zustand unter Belastung, der durch Anspannung und Widerstand gegen Stimuli, die Stressoren, gekennzeichnet ist. Stressauslösende Bedingungen beschränken sich keineswegs auf „große”, seltene Ereignisse, sondern bestehen oft aus kleinen, nervenaufreibenden Vorkommnissen, den „daily hassles“.

 

Digitaler Stress

Immer und überall erreichbar zu sein, löst Stress aus. Zu den bekannten Stressformen kommt eine neue Variante, die bislang kaum untersucht ist: digitaler Stress. Seine Grundlage ist die permanente Erreichbarkeit für Wichtiges wie Banales. Unzählige Informationen strömen ständig auf uns ein. Die Versuchung wächst, auf alles Eintreffende direkt zu reagieren. Unbemerkt geraten wir in einen stetigen Arbeitsmodus, der echtes Abschalten unmöglich macht.

 

Stress erzeugt Kopfschmerz

Jedes Individuum erlebt Stress anders. Auch die Toleranzschwellen für Stressempfinden sind von Mensch zu Mensch verschieden. Obwohl es Definitionen gibt, bleibt der Begriff diffus und dehnbar. Seine Bedeutung hängt von zahlreichen inneren wie äußeren Faktoren ab. Eines allerdings scheint bei allen, die Stress erleben, ähnlich: Er wirkt sich auf das seelische und das körperliche Wohlbefinden aus. Eine Folgeerscheinung, die in vielen Untersuchungen übereinstimmend mit den verschiedensten Arten von Stress assoziiert ist, ist der Kopfschmerz, ein Phänomen, das laut Weltgesundheitsorganisation WHO eine der „am stärksten behindernden Erkrankungen“ darstellt.

 

Stress und Evolution

Eine Betrachtung der Evolution zeigt: Der biologische Sinn von Stress lässt sich im Licht unserer Stammesentwicklung auf die Reaktion in Gefahrensituationen zurückführen. Die Stressreaktion erleichtert es dem Menschen, bei Bedrohung sein Überleben zu sichern. Dieser Mechanismus ist uralt. Vermutlich half er nicht erst der Gattung Homo, sondern bereits den ersten Säugetieren vor über 250 Millionen Jahren bei Flucht oder Kampf. Die Wirkung von Stress ist auch heute noch hilfreich, denn sie ermöglicht in „brenzligen“ Momenten eine schnelle Reaktion.

 

Schwierige Definition

Obgleich die Erforschung des Phänomens Stress beinahe hundert Jahre zurückreicht, tut sich die Wissenschaft mit einer Definition schwer. Eine Arbeit von Walter Bradford Cannon (1932)3, Physiologie-Professor an der amerikanischen Harvard Medical School, ordnet Stress in die grundlegende Physiologie des menschlichen Verhaltens ein und geht dabei weit in die Zusammenhänge unserer Evolution zurück. Viele Wissenschaftler trugen seither zur Stressforschung bei. Obgleich zahlreiche Studien über den Zusammenhang zwischen Stress und Kopfschmerzen in die gleiche Richtung weisen, gibt es bis heute keine einheitliche Sichtweise des Phänomens Stress.

 

Viele Forschungsansätze

Die Zahl der Untersuchungen zu Stress und Kopfschmerz ist groß, ihre methodischen Ansätze unterschiedlich und teilweise sehr raffiniert. Probanden werden beispielsweise angewiesen, Rechenaufgaben oder andere logisch lösbare Probleme zu bewältigen. Bei vielen Tests kommen weitere Komponenten hinzu, die für gesteigerte Anforderungen und so für zunehmendes Stressempfinden der Testpersonen sorgen. Auch enthält die Aufgabenstellung neben der eigentlichen Arbeitsanweisung noch Komponenten, die Einblicke in psychologische Prozesse des Probanden erlauben, beispielsweise Aufschluss über seine Selbsteinschätzung während des Experiments geben. Man gewinnt überdies Informationen über das individuelle Stress-Bewältigungsverhalten der Versuchsteilnehmer.

 

Kopfschmerzrisiken

Vor allem zwei Gruppen von Ursachen begünstigen Kopfschmerzen: Zunächst sind es Faktoren, die auch im Umfeld des Burnout-Syndroms eine Rolle spielen: Überforderung, Termindruck, Frustrationen, Konflikte mit Kollegen oder Kommilitonen oder ein insgesamt gereiztes Arbeitsklima4. Als häufige Begleiterscheinung stellt sich dann Kopfschmerz vom Spannungstyp ein. Eine zweite Gruppe bilden körperlichen Stressoren, speziell muskulo-skelettale Risikofaktoren5: Wir sitzen über Stunden in unergonomischer Haltung, die kopfnahen Muskeln sind verspannt. Es entstehen Verkrampfungen im Schulter- und Nackenbereich, die Halswirbelsäule wird in Mitleidenschaft gezogen. Gerade der studentische Alltag birgt viele dieser Risikofaktoren für Kopfschmerz, deren Bedeutung von den Betroffenen eher selten wahrgenommen wird.

 

Wirtschaftlich schmerzhaft

Stressbedingter Kopfschmerz verursacht in der erwerbstätigen Bevölkerung erhebliche volkswirtschaftliche Kosten. Es kommt zu krankheitsbedingtem Fehlen und beeinträchtigter Produktivität auf allen Arbeitsebenen. Fehlzeiten und Produktivitätsverlust schlagen jedes Jahr mit Milliardenkosten zu Buche. Exakte Zahlen dazu gibt es kaum, aber Schätzungen zufolge dürften Kopfschmerzen europaweit Kosten von etwa 170 Milliarden Euro pro Jahr6 verursachen. Ein beträchtlicher Teil davon geht auf das Konto von stressbedingten Belastungen.

 

Der Faktor Schlaf

Sowohl die Menge als auch die Qualität unseres Schlafes beeinflussen die Entstehung von Stress und Kopfschmerzen. Besonders Migränepatienten sollten darauf achten, dass sie möglichst regelmäßig zu den gleichen Zeiten zu Bett gehen und aufstehen. Zu wenig Schlaf gilt vielen Kopfschmerz-Betroffenen als wichtiger Trigger (Auslöser) für ihre Beschwerden7,8. Studien zeigten, dass Faktoren wie Schlafmangel, schlechter Schlaf, Stressphasen über den Tag, Prüfungen und Sorgen um Berufschancen sich gegenseitig verstärken und zu einer verhängnisvollen Konstellation aufschaukeln können9. Kaum verwunderlich, dass häufig Kopfschmerz die Folge ist.

 

Weniger Stress!

Stressverminderung ist ein aktiver Prozess, den Betroffene selbst vorantreiben müssen. Es gilt, die eigene Zeit unter Kontrolle zu bringen, Freiräume zu definieren und einzufordern. Bereits kleine Veränderungen in Handhabung und Wahrnehmung der Stressauslöser zeigen positive Effekte und ermutigen zu weiteren Schritten. Besonders den inneren Stress, die eigenen Anforderungen an sich selbst, sollte man auf ein realistisches Maß reduzieren, ebenso Ansprüche von außen. Besonders wichtig: Niemals mehrere Projekte zugleich beginnen, machbare Reihenfolgen definieren, realistische Fristen setzen. So beginnt der Stress nicht bereits beim Planen.

Einen weiteren Schlüssel liefert unser Umgang mit Fehlschlägen und Unzulänglichkeiten. Diesen vernünftig zu justieren ist herausfordernd, aber zugleich der wichtigste Schritt. Wir müssen lernen, die Gründe für einen Schiffbruch nicht nur bei uns selbst zu suchen. Natürlich ist es schwer, „positiv“ an Scheitern heranzugehen. Das Einbeziehen naher Menschen schafft Entlastung und reduziert Stress. Dass man Probleme und Tiefschläge meist besser verarbeitet, wenn man sich jemandem mitteilt und die Last sich auf mehrere Schultern verteilt, ist eine alte Erfahrung. Nutzen wir sie.

 

  • 1. Selye, H.: Stress. Bewältigung und Lebensgewinn. Aus dem Englischen von Hans Th. Asbeck. München/Zürich 1974.

    2. De Benedittis G, Lorenzetti A. The role of stressful life events in the persistence of primary headache: major events vs. daily hassles. 1992 Oct; 51(1): 35–42. doi.org/10.1016/0304-3959(92)90006-W.

    3. Cannon, Walter B.: Wut, Hunger, Angst und Schmerz: Eine Physiologie der Emotionen, aus d. Engl. übers. von Helmut Junker. Hrsg. von Thure von Uexküll. München/Berlin/Wien 1975 (Erste engl. Ausgabe 1915).

    4. González-Quintanilla V, Toriello-Suárez M, Gutiérrez-González S, Rojo-López A, González-Suárez A, Viadero-Cervera R, Palacio-Portilla EJ, Oterino-Durán A. Stress at work in migraine patients: differences in attack frequency. 2015 Mar; 30(2): 83–9. doi: 10.1016/j.nrl.2013.10.008. Epub 2013 Dec 12. English, Spanish.

    5. Albers L, Ziebarth S, von Kries R. Potenziell vermeidbare Risikofaktoren für primäre Kopfschmerzen. Ein systematischer Review. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2014 Aug; 57(8): 952–60. doi: 10.1007/s00103-014-1997-1. Review. German.

    6. Linde M, Gustavsson A, Stovner LJ, Steiner TJ, Barré J, Katsarava Z, Lainez JM, Lampl C, Lantéri-Minet M, Rastenyte D, Ruiz de la Torre E, Tassorelli C, Andrée C. The cost of headache disorders in Europe: the Eurolight project. Eur J 2012 May; 19(5): 703–11. doi: 10.1111/j.1468-1331.2011.03612.x. Epub 2011 Dec 5.

    7. Barbanti P, Fabbrini G, Aurilia C, Vanacore N, Cruccu G. A case-control study on excessive daytime sleepiness in episodic migraine. 2007 Oct; 27(10): 1115–9. Epub 2007 Aug 24.

    8. Boardman HF, Thomas E, Millson DS, Croft PR. Psychological, sleep, lifestyle, and comorbid associations with headache. Headache. 2005 Jun; 45(6): 657–69.

    9. Jiang XL, Zheng XY, Yang J, Ye CP, Chen YY, Zhang ZG, Xiao ZJ. A systematic review of studies on the prevalence of insomnia in university students. Public Health. 2015 Dec; 129(12): 1579–84. doi: 10.1016/j.puhe.2015.07.030. Epub 2015 Aug 20. Review.

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